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Weg zur
Diagnose
Weg zur Diagnose

Weltweit gibt es über 8000 seltene Krankheiten, nur gerade 5 Prozent sind erforscht!

Diese Seltenheit hat zur Folge, dass es wenig Fachwissen gibt, im Vergleich zu anderen Erkrankungen. Betroffene wie auch jeweils spezialisierte Ärzt*innen leben oft in grossen geografischen Distanzen. Dies erschwert die Diagnosestellung. Durch landesweite und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Schaffung von spezialisierten Zentren und die Verbreitung von Fachwissen konnte die korrekte und raschere Diagnosestellung und auch die Versorgung von Betroffenen verbessert werden.


Informationen zum Haftungsausschluss

Wichtige Schritte auf dem Weg zur Diagnose

1. Schritt: Vorgeburtliche Untersuchung bei der Frauenärztin/dem Frauenarzt

Die vorgeburtliche (= pränatale) Diagnostik gehört zur Standarduntersuchung während der Schwangerschaft und hilft festzustellen, ob beim ungeborenen Kind bestimmte Erkrankungen vorliegen oder nicht. Die Schwangeren werden hierfür von ihrer Frauenärztin/ihrem Frauenarzt über alle Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik informiert, sind aber völlig frei in ihrer Entscheidung, ob und welche davon sie in Anspruch nehmen wollen. Hier können bestimmte seltene Erkrankungen entdeckt werden, die meisten jedoch nicht.

2. Schritt: Neugeborenen-Screening im Spital

Nach der Geburt kann im Spital ein Neugeborenen-Screening durchgeführt werden, ohne dass hier bereits Verdacht auf eine seltene Erkrankung bestehen muss. Dieses Screening umfasst spezielle Untersuchungen für Neugeborene zur frühzeitigen Diagnostik bestimmter seltener Erkrankungen. So können diese bereits wenige Tage nach der Geburt erkannt und entsprechend behandelt werden. Dazu wird Säuglingen kurz nach der Geburt Blut entnommen und im Labor auf bestimmte Krankheiten untersucht. Die Teilnahme am Screening ist freiwillig und setzt die Einwilligung der Eltern voraus.

3. Schritt: Erste Abklärung durch Kinderärzt*innen

In vielen Fällen treten Symptome einer seltenen Erkrankung erst dann auf, wenn die betroffenen Kinder bereits einige Monate bzw. auch Jahre alt sind. So ist der erste Schritt auf dem Weg zur Diagnose meist der zu eurem Kinderarzt/eurer Kinderärztin. Und zwar dann, wenn ihr feststellt, dass etwas bei eurem Kind "anders" ist. Am Anfang steht dabei meist ein kindliches Leiden, dessen Ursache man (noch) nicht kennt. So können beispielsweise Entwicklungsstörungen, organspezifische Veränderungen, aber auch ganz unscheinbare Merkmale einen ersten Verdacht auf eine seltene Erkrankung liefern. Auch, wenn auf dieser Ebene häufig noch nicht klar ist, um welche seltene Krankheit es sich handelt, so können Kinderärzt*innen dennoch erste Befunde dokumentieren. Zudem helfen sie, an die richtigen Spezialist*innen als nächste Anlaufstelle zwecks weiterer Abklärungen zu überweisen. Auf dem Weg zur Diagnose oder auch bezogen auf die Behandlung der betroffenen Kinder können Kinderärzt*innen zudem verschiedene Rollen einnehmen, als: Ärztliche Begleitung der Familie, koordinierend zwischen den verschiedenen Spezialist*innen, Spitälern und Therapeut*innen, und ggf. auch als Unterstützende bei Antragstellung bzgl. Versicherungsleistungen von IV und/oder Krankenversicherung.

4. Schritt: Vertiefte Abklärungen durch Spezialist*innen

Die Auswahl der Spezialist*innen treffen Kinderärzt*innen aufgrund der Einschätzung zur Symptomatik eures Kindes sowie aufgrund der ersten erhobenen Befunde. Auf dieser Ebene werden nun Erklärungen für die Symptome gesucht, die mitunter ganz unterschiedliche Spezialist*innen erfordern (z.B. Entwicklungspädiater*innen, Neuropädiater*innen, pädiatrische Kardiolog*innen etc.). Zum Beispiel werdet ihr bei einer vermuteten Ursache am Herzen an die pädiatrische Kardiologie überwiesen. Diese kümmert sich nun (so wie alle anderen Spezialist*innen auf ihrem Fachgebiet) um weitere Abklärungsschritte und insbesondere um die organspezifische Diagnosestellung. Die Spezialist*innen verfügen über fachspezifisches Wissen und sind stark vernetzt, um sich auch mit anderen Spezialist*innen auszutauschen. Selbstverständlich ist es möglich, dass die von den Kinderärzt*innen empfohlenen Spezialist*innen zu keiner Diagnose gelangen. Sie können jedoch entweder an andere Spezialist*innen überweisen und/oder an Genetiker*innen. Denn häufig braucht es für die sichere Diagnosestellung noch zusätzliche Untersuchungsmethoden. Dabei kommt genetischen Tests eine immer grösser werdende Bedeutung zu.

5. Schritt: Genetische Untersuchung durch Genetiker*innen

Genetiker*innen bestätigen entweder eine vermutete Erkrankung mittels genetischer Tests, oder sie bringen eine weitere Perspektive auf dem Weg zur Diagnose ein, die das Kind auf genetischer Ebene ganzheitlich betrachtet. Eine Diagnose zu finden gelingt manchmal leicht, ist häufiger aber auch sehr schwierig, da jeder Mensch zig genetische Varianten hat. Damit eine genetische Untersuchung nicht einem Blindflug gleichkommt, hilft es zu wissen, ob familiär bereits bestimmte Erkrankungen vorhanden sind oder nicht. Der Einbezug der genauen Organbefunde und allenfalls auch besondere Beobachtungen der behandelnden Ärzt*innen sind sehr wichtig. Die genetischen Labortests erfolgen meist in Form einer Blutuntersuchung. Mittels der genetischen Tests kann in 50 bis 60 Prozent der Fälle eine Diagnose getroffen werden. Im Rest der Fälle bleibt eine entsprechende Diagnose aus. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass von ca. 22’000 Krankheitsgenen aktuell nur ca. 4’500 bekannt sind oder damit, dass das krankmachende Gen zwar schon bekannt ist, nicht aber seine Mutationsart (z.B. weil die aktuell verfügbare Technik diese nicht erkennt). In beiden Fällen kann es sich lohnen, die genetischen Abklärungen nach einigen Jahren zu wiederholen, da jährlich hunderte neue Krankheitsgene identifiziert werden. Bevor diese Jahre verstrichen sind, kann es sich darüber hinaus anbieten, ein Zentrum für Seltene Krankheiten aufzusuchen.

6. Schritt: Kliniken und Zentren für seltene Erkrankungen, wenn vorherige Schritte keine Diagnose brachten

Der Begriff "Zentrum für Seltene Krankheiten" erweckt bei vielen Eltern den Eindruck, dass diese Anlaufstelle an erster Stelle auf dem Weg zur Diagnose steht. Dies ist jedoch nicht üblich und wird von Fachpersonen nicht empfohlen. So steht der Besuch eines solchen Zentrums "erst" an  letzter auf dem Weg zur Abklärung der Diagnose. Das ist damit begründet, dass bereits durch das Hinzuziehen von Kinderärzt*innen, Spezialist*innen und GenetikerInnen  ggf. eine Krankheit diagnostiziert werden kann. Das Zentrum für Seltene Krankheiten wird erst dann wichtig, wenn selbst die Genetiker*innen zu keiner Diagnose gelangen (in 40-50% der Fälle) und die Krankheit eures Kindes keinem konkreten Fachgebiet zugeordnet werden kann. Sollte dies der Fall sein, werden die Genetiker*innen in der Regel selbst ein Zentrum für Seltene Krankheiten hinzuziehen. In diesem werden dann noch einmal alle verschiedenen Spezialist*innen und Genetiker*innen an einen Tisch gebracht, um weitere Abklärungen zu machen. Der Vorteil eines solchen Zentrums besteht insbesondere darin, dass Fachpersonen verschiedener Disziplinen zusammenkommen und ihre Kompetenz an einem einzigen Standort entfalten. Sicher könnt ihr euch als Eltern, wenn ihr mit den Abklärungen/Massnahmen der Kinderärzt*innen und Spezialist*innen bezüglich eures Kindes nicht zufrieden seid, direkt an ein Zentrum für Seltene Krankheit wenden. Anderenfalls dürft ihr jedoch darauf vertrauen, dass die ersten Schritte auf dem Weg zur Diagnose die Empfohlenen sind.

Wichtige Hinweise

Hinweis 1: Nur durch Fragen lassen sich auch Antworten finden

Oft seid ihr Eltern, wenn ihr euch im Alltag Fragen stellt, auf euch allein gestellt. Ihr kämpft euch durchs Internet und findet da nicht immer, was ihr sucht oder bräuch­tet. Noch problematischer wird es, wenn ihr von Angeboten oder An­sprüchen nie hört. So tauchen Fra­gen gar nicht auf. Die erste und wichtigste Ansprechperson ist die Kinderärztin oder der Kinderarzt eures Kindes. Es ist zentral, dass ihr euch auch Fragen stellt, die über das Medi­zinische hinaus gehen. Nur so werden auch Psycholog*innen, Sozialarbei­ter*innen oder andere Fachpersonen involviert.

Hinweis 2: Nicht immer können Ärzt*innen mittels der oben genannten Schritte eine Diagnose stellen

Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Diagnose gestellt und eine seltene Krankheit überhaupt als solche erkannt wird. Das kann sowohl für euch Eltern als auch für die behandelnden Ärzt*innen herausfordernd und belastend sein. Teils fehlen die Erfahrungswerte, weil gewisse Krankheiten aufgrund ihrer Seltenheit in der Praxis kaum angetroffen werden. Zudem sind die Symptome bei seltenen Krankheiten häufig sehr unterschiedlich ausgeprägt, wodurch sich der Verlauf immer etwas anders äussert. Auch genetische Tests kommen nicht immer zu einer Diagnose. So kommt es vermehrt vor, dass euch Eltern keine genaue Diagnose gegeben werden kann.

Hinweis 3: Das Miteinander auf dem Weg zur Diagnose ist zentral

Ihr als Eltern könnt einen elementaren Beitrag leisten. Seid ihr doch meist den Grossteil des Tages um euer Kind herum, wohingegen die Ärzt*innen meist nur Momentaufnahmen sehen. Im Verlauf seid es meist ihr, die ihr euch am besten mit der Krankheit auskennt und zu Expert*innen werdet. Scheut euch nicht, eure Erfahrungen und Einschätzungen an die behandelnden Ärzt*innen weiterzugeben und der medizinischen Fachwelt auf Augenhöhe entgegenzutreten. Und dennoch, denkt auch daran, dass eben diese Ärzt*innen noch über Wissen verfügen, das euch fehlt und das ebenfalls auf dem Weg zur Diagnose elementar ist. Es geht hier also um eine gute Zusammenarbeit und klare Kommunikation zwischen euch Eltern und den Fachpersonen der medizinischen Welt.

Hinweis 4: Frühzeitige psychologische Betreuung kann helfen, mit den emotionalen Herausforderungen umzugehen

Sowohl der (manchmal durchaus lange) Weg zur Diagnosestellung als auch die definitive Diagnosestellung gehen für viele betroffene Eltern in der Regel mit einer grossen emotionalen Achterbahnfahrt einher. Hier kann psychologische Hilfe Orientierung schaffen und helfen, die Kontrolle ein Stück weit zurückzugewinnen. Unter anderem können die Sozialdienste im Spital entsprechende Kontakte und Anlaufstellen vermitteln (z.B. bietet das Kispi Zürich selbst ein psychologisches Coaching u.a. nach Diagnosestellung und zur Krankheitsbewältigung an). Eine psychologische Begleitung kann dabei nicht nur zur Verarbeitung der Krankheit/Diagnose dienen, sondern auch, um bestimmte Ereignisse/ bestimmte Lebensphasen zu bewältigen (z.B. bei Neuauftritt von Symptomen, Verlust von Fähigkeiten, neuen Entwicklungsschritten wie Kindergarten- oder Schuleintritt oder auch der nächsten Urlaubsplanung). Dabei soll die Begleitung helfen, Fragen zu beantworten und Probleme zu bearbeiten und kann bei Bedarf auch nur über wenige Termine erfolgen.

Hinweis 5: Die Sozialberatung unterstützt euch dabei, offene Fragen zu beantworten

Die Sozialberatung im Kinderspital ist nicht nur für Familien mit geringem Einkommen gedacht (wie die Bezeichnung ggf. vermuten lässt), sondern steht allen Familien von Kindern mit seltenen Erkrankungen hinsichtlich einer Vielzahl offener Fragen zur Verfügung. Dabei ist die Beratungsstelle nicht nur im Rahmen von Spitalaufenthalten des betroffenen Kindes gedacht, sondern darf von euch Eltern gern auch im Alltag hinzugezogen werden. Denn meist treten viele praktische Probleme rund um die Krankheit eben nicht (nur) während der Aufenthalte im Spital auf. Hier kann es hilfreich sein, die Sozialberatung des jeweiligen Kinderspitals zu kontaktieren. Ihr dürft äussern, was euch am meisten beschäftigt! Das sind oft ganz andere Dinge, als die Fachpersonen vermuten. Nur so können passende Lösungen gesucht und auch gefunden werden.

Hinweis 6: Informiert euer Umfeld über die Erkrankung/Diagnose eures Kindes

Es kann hilfreich sein, euer (engstes und ggf. auch euer Arbeits-) Umfeld über die Erkrankung/Diagnose eures Kindes aufzuklären, sodass die verschiedenen Verhaltensmuster eures Kindes besser verstanden und akzeptiert werden können. Und auch für euer Kind kann dies ein Zeichen sein, dass ihr zu ihm steht und es sich nicht "komisch" fühlen muss. Aufklärung ist auch in der Schule zentral, weil Kinder von anderen Kindern erwarten, dass sie gleich sind. Aufklärung hilft, Verständnis zu schaffen und die Diversität zu akzeptieren

Hinweis 7: Im Fokus steht das Wohl des Kindes, sekundär ist die definitive Diagnose

Im Grundsatz ist die richtige und frühzeitige Diagnose wichtig für die optimale medizinische Versorgung sowie Behandlung eures Kindes. Da bei vielen seltenen Erkrankungen häufig jedoch keine Diagnose gegeben werden kann, gilt es primär auf das Wohl des Kindes und auf die aktuellen Bedürfnisse zu schauen und nur sekundär nach der definitiven Diagnose. Die Behandlung von Kindern mit seltenen Krankheiten gliedert sich dabei in folgende Zeithorizonte:


(1) Akut gilt es erst einmal die Beschwerden, die sich direkt zeigen, zu erkennen und zu behandeln. Dazu ist es meistens nicht notwendig, die Grunderkrankung genau zu kennen, es muss viel mehr direkt auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden.


(2) Ist eine erste Stabilisierung erreicht, plant man das weitere Vorgehen. Dafür ist es hilfreich, aber nicht zwingend notwendig, die zugrunde liegende Erkrankung festzustellen. Vielmehr kann nach den Bedürfnissen des Kindes geschaut und darauf reagiert werden. Darüber hinaus können mit den klassischen Methoden der Diagnostik (z.B. Labor, Ultraschall etc.) Funktionsstörungen der Organe erkannt und somit auch behandelt werden.


(3) Für eine Prognose sowie für eine eventuelle Langzeittherapie kann die Diagnose dann wichtig sein – auch, damit die Kranken- und/oder die Invalidenversicherung bestimmte Leistungen übernehmen.


Wichtige Fragen - Vorgeburtliche Untersuchung

Welche Untersuchungen können bereits während der Schwangerschaft durchgeführt werden?

Für schwangere Frauen zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche wird ein Ersttrimester-Screening angeboten. Dieses beinhaltet eine Ultraschalluntersuchung mit Nackenfaltenmessung des Fötus. Die Schwangeren werden über alle Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik informiert, sind aber völlig frei in ihrer Entscheidung, welche davon sie in Anspruch nehmen wollen. Zudem kann bzgl. genetischer Tests auch das Blut der Schwangeren untersucht werden und beispielsweise festgestellt werden, ob bei dem erwarteten Kind ein Down-Syndrom vorliegt. Bei Auffälligkeiten im Ultraschall würde man allerdings zu einer Punktion des Fruchtwassers oder der Plazenta raten, weil so ausführlichere Untersuchungen der Chromosomen und einzelner Gene möglich sind. Aber auch diese Untersuchungen sind selbstverständlich freiwillig.

Wie wird vorgegangen, wenn bereits während der Schwangerschaft Auffälligkeiten festgestellt werden?

Stellen Gynäkolog*innen im Rahmen der Screening- Untersuchungen Auffälligkeiten beim Ungeborenen fest, folgt die Untersuchung bei Pränatalmediziner*innen. Bestätigt sich der Verdacht, werden die betroffenen Eltern von einem Team aus Fachspezialist*innen betreut. Die Ent­scheidung für oder gegen das Kind müssen die Eltern hingegen alleine treffen.

Wichtige Fragen – Neugeborenen-Screening

Wieso dauert eine Diagnose einer Krankheit teilweise so lange und wird nicht bereits beim Neugeborenen-Screening entdeckt?

Dafür sind zwei Gründe elementar: Einerseits ist das Screening nicht zu umfassend gehalten. Die geprüften Krankheiten, werden sehr sorgfältig ausgewählt, um das Risiko von "False positives" möglichst gering zu halten – also, dass eine Krankheit als vorhanden gemeldet wird, die unter Umständen nie ausbricht bzw. nicht vorhanden ist. Andererseits ist jede Änderung im Neugeborenen-Screening ein sehr aufwendiger Prozess, welcher einer Menge an Informationen und  Fakten bedarf. In der Schweiz kann man kaum genügend aussagekräftige Zahlen beschaffen, sodass abgewartet wird, bis aus dem Ausland entsprechende Daten und Anpassungen kommen. Diese Tatsache ist auch für Fachpersonen und Spitäler nicht immer leicht zu akzeptieren.

Wichtige Fragen – Kinderärzt*innen

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Kinderärzt*innen und den Abteilungen im Spital organisiert?

Neu gibt es an vielen Kinderspitälern sogenannte Case Manager, die sich speziell um komplexe Fälle kümmern. Ziel ist es, dass bei jedem Kind mit einer komplexen Erkrankung klar definiert ist, wer im Spital den Fall leitet. Dies erleichtert die Kommunikation innerhalb des Spitals mit dem Kind und den Eltern und verbessert auch die Zusammenarbeit mit der Kinderarztpraxis.

Wichtige Fragen - Spezialist*innen

Welche Spezialist*innen sollten auf dem Weg zur Diagnose eingebunden werden?

Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. Je nachdem an welcher seltenen Erkrankung das Kind erkrankt ist, sind auch die Symptome, organspezifischen Veränderungen oder auch die äusserlichen Besonderheiten unterschiedlich. So wird ein Kind beispielsweise an die Kinderkardiologie überweisen, wenn von den Kinderärzt*innen Auffälligkeiten am Herzen festgestellt werden. Weitere spezialisierte Ärzt*innen, die wichtig für die Suche einer Diagnose sein können, sind: Hals-Nasen-Ohrenärzt*innen, Zahnmediziner*innen, Immunolog*innen, Orthopäd*innen etc. Und so kann es auch vorkommen, dass ein Kind mehrere Spezialist*innen aufsuchen muss, bis eine Diagnose gefunden werden kann und auch das ist leider nicht immer möglich.

Wichtige Fragen – Genetiker*innen

Werden genetische Untersuchungen von der Krankenversicherung übernommen?

Dauer bis zum Erhalt der Resultate?

Bei den genetischen Tests selbst sprechen wir zeitlich von ein, zwei Wochen bis hin zu mehreren Monaten. Wird bei der genetischen Analyse erst nichts gefunden, kann es deutlich länger gehen oder auch vorkommen, dass die Suche erst einmal eingestellt wird. Hier ist es allerdings wichtig zu betonen, dass Fachpersonen von Jahr zu Jahr mehr Gene kennen. Es kann also durchaus Sinn ergeben – in Absprache mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt – z.B. zwei Jahre nach einem Gentest die vorhandenen Testdaten nochmals neu zu beurteilen oder auch einen Test neu durchzuführen. Vielleicht kann dann ein Gendefekt identifiziert und die Krankheit bestimmt werden.

Wichtige Fragen - Zentren für Seltene Erkrankungen

Wo gibt es in der Schweiz Zentren für seltene Erkrankungen?

Ausgehend vom nationalen Konzept "Seltene Krankheiten" sind schweizweit neun von kosek zertifizierte Zentren für seltene Krankheiten entstanden. Das Ziel dieser Zentren ist es, die Patient*innen, deren Angehörige und Gesundheitsfachleute fachlich kompetent zu unterstützen und die Kenntnisse zu bündeln. Damit soll eine schnel­lere Diagnosestellung ermöglicht und die Koordination der Behandlung verbessert werden. Mit ihren Hotlines bieten die Zentren eine telefonische Beratung an, die Überweisung erfolgt jedoch durch die behandelnden Ärzt*innen an das zuständige Zentrum.


Centre Maladies Raraes des Hôpitaux Universitaires de Genève (Genf)

Centre Maladies Rares du Centre hospitalier universitaire Vaudois (Lausanne)

Centro per le Malattie Rare della Svizzera Italiana (Tessin)

Ostschweizer Zentrum für Seltene Krankheiten (St. Gallen)

Universitätszentrum für Seltene Krankheiten (Basel)

Zentrum für seltene Krankheiten (Zürich)

Zentrum für Seltene Krankheiten am Luzerner Kantonsspital (Luzern)

Zentrum für Seltene Erkrankungen (CRD) des Kantonspitals Aarau AG (Aarau)

Zentrum für Seltene Krankheiten Inselspital (Bern)


In Deutschlang gibt der sogenannte SE-Atlas Auskunft über Zentren für seltene Erkrankungen. In Österreich ist eine solche Übersicht über das Forum Seltene Krankheiten zu finden.

Was ist ein Register für seltene Krankheiten?

In der Schweiz gibt es ein nationales Register für seltene Krankheiten (das SRSK). Dieses erfasst Angaben zu möglichst allen Personen mit einer seltenen Krankheit, die in der Schweiz leben und/oder behandelt werden. Ziel ist, seltene Krankheiten genauer zu erfassen, Wissen zu schaffen, und auch die Forschung zu unterstützen. Damit soll eine bessere Versorgung der Betroffenen gewährleistet werden. Durch die Teilnahme am SRSK haben Betroffene die Möglichkeit, an Studien (z.B. zu neuen Therapiemöglichkeiten) oder Umfragen teilzunehmen. Zudem besteht durch die Teilnahme am SRSK die Möglichkeit, Kontakt zu anderen Betroffenen aufzubauen.

Wichtige Fragen – Weitere Familienplanung

Wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein weiteres Kind nochmals an der seltenen Krankheit der Geschwisterkindes leiden könnte?

Wenn eine klare genetische Ursache festgestellt werden konnte, kann hier oft eine klare Antwort geliefert werden. Allerdings hilft im Einzelfall keine Statistik, denn für die Betroffenen bedeutet es erkrankt oder nicht erkrankt. Viele Krankheiten führen aber zu unterschiedlichen Ausprägungen des Krankheitsbildes, wieder andere Krankheiten können aktuell keiner genetischen Ursache zugeordnet werden. Dann bleiben viele Fragen nach Wiederholungsrisiko, Entwicklungsprognose und Behandelbarkeit offen.

Welche Möglichkeiten bestehen, um Familien hinsichtlich weiterer Familienplanung zu unterstützen, wenn eine seltene Erkrankung ihres Kindes vorliegt?

Genetische Untersuchung

Eine genetische Diagnose hilft, mögliche Auswirkungen auf allfällige weitere Kinder zu beziffern. Das heisst, es können Informationen zum Wiederholungsrisiko und zu den pränatalen diagnostischen Möglichkeiten angeboten werden. Entsprechend kann eine genetische Untersuchung (wie oben beschrieben) des betroffenen Kindes und/oder der Eltern empfehlenswert sein, um Eltern bei der Einschätzung der weiteren Familienplanung zu unterstützen. Wenn in der Familie schon eine Chromosomenstörung oder ein Gendefekt nachgewiesen wurde, kann bei Verwandten dann relativ einfach und gezielt die betroffene Stelle überprüft werden.


Vorgeburtliche Diagnostik

Schaut hierfür oben: unter Schritt 1 und den Abschnitt "Vorgeburtliche Untersuchung".

Interessante Fach-Beiträge aus den KMSK Wissensbüchern «Seltene Krankheiten»

1. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Einblicke in das Leben betroffener Familien»

Dr. med. Valérie Oesch, Kinderchirurgie am Kantonsspital Aarau: Zu jeder Diagnose gehört auch eine Familiengeschichte


Prof. Dr. Reinald Brunner, Neuroorthopädie im UKBB Basel: Gemessen an anderen Krankheiten ist CMT relativ gutartig


Prof. Dr. Beatrice Früh, Inselspital Bern, Universitätsklinik für Augenheilkunde: Ein Kind mit solch einer Diagnose ist eine grosse, lebenslange Aufgabe


Dr. med. Marion Jäger-Strasser, Kinder- und Jugendmedizin FMH, Ärzte im Zentrum, Weinfelden: NF1 ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern


Dr. med. Seraina Prader, Immunologie, Kinder- und Jugendmedizin:

Sina und Thilda haben sehr gute Prognosen


Dr. med. Tobias Iff, Kinder- und Jugendmedizin Schwerpunkt Kinderneurologie, Zürich: Ich wünschte mir eine Koordinationsstelle für betroffene Eltern


Prof. Dr. Matthias Baumgartner, Abteilung für Stoffwechselkrankheiten am Universitäts-Kinderspital Zürich: Wir sind froh, ist GA-1 jetzt im Neugeborenen-Screening enthalten


Prof. Dr. Urs Eiholzer, Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrisch Endokrinologisches Zentrum Zürich, PEZZ: Man muss ständig dranbleiben


Dr. med. Roberto Sossai, Kinderchirurgie, Kinderspital Luzern: Die Glasknochenkrankheit


Dr. med. Iris Ataia-Bühler, Kinder- und Jugendpraxis Tittwiesen: Ich bewundere die Eltern sehr, wie sie mit dem Schicksal ihrer Kinder umgehen


Dr. med. Philip Julian Broser, Zentrum für Kinderneurologie, Entwicklung und Rehabilitation (KER-Zentrum) des Ostschweizer Kinderspitals in St. Gallen: Andrina erhält bereits jetzt die bestmögliche Förderung

2. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Der Weg - Genetik , Alltag, Familien- und Lebensplanung»

Dr. med. Gian Bischoff Kinderarzt, Kinderpraxis Altstetten: Die schwierige Rolle des Kinderarztes bei einer komplexen Erkrankung


Dr. med. Kerstin Hug, Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe Stans:

100%ige Gewissheit gibt es praktisch nie


Prof. Dr. Anita Rauch, Medizinische Genetik, Institut für Medizinische Genetik, Universität Zürich: Genetische Diagnostik sorgt für Gewissheit, heilt aber nicht


Dr. med. Agnes Genewein, Neonatologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB): Krank oder nicht? Im Einzelfall helfen auch Statistiken nichts

3. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Therapien für Kinder und Unterstützung für die Familie»

Ernst Niemack, Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (visp): Rasante Verdoppelung des medizinischen Grundwissens hilft Betroffenen

4. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Psychosoziale Herausforderungen für Eltern und Geschwister»

Dr. med. Katrin Lengnick, Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Neuropädiatrie und Entwicklungspädiatrie, Ostschweizer Kinderspital: Oft sind die Symptome betroffener Kinder anfangs sehr unspezifisch

5. Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Digitale Wissensplattform für Eltern und Fachpersonen»

Dr. med. Irene Dingeldein, Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe: Von den ersten Auffälligkeiten bis zur Entscheidung für oder gegen das kranke Kind


Dr. med. Tobias Iff, Zentrum für Kinderneurologie AG, Zürich: Kommunikation zwischen Eltern und Arzt hilft bei der Diagnosestellung


Prof. Dr. med. Anita Rauch, Institut für medizinische Genetik der Universität Zürich: Per Gentest zur Diagnose